Einfach nur Dixie 11FREUNDE

December 2024 · 3 minute read

Das Ver­rückte ist, dass Dixie Dörner bei dem, was – zumin­dest in der ehe­ma­ligen BRD – als das Glanz­stück des DDR-Fuß­balls galt, gar nicht dabei war. Als Jürgen Spar­wasser beim 1:0 in der Vor­runde der Welt­meis­ter­schaft 1974 dem Klas­sen­feind einen ein­schenkte, saß Dörner zu Hause in Dresden. Die Nach­wir­kungen einer Gelb­sucht hatten seine WM-Teil­nahme ver­hin­dert, außerdem war der Dresdner Libero, damals gerade 23 Jahre alt, noch nicht die prä­gende Figur im Spiel des DDR-Teams, die er später wurde. Natio­nal­trainer Georg Buschner hatte anfangs seine Pro­bleme mit dem fuß­bal­le­ri­schen Fein­geist, der ihm zu sehr Bruder Leichtfuß“ war. Klare Bälle wollte Buschner. Doch die waren nicht Dör­ners Tasse Tee.

Letzt­end­lich kam aber auch der auf einen ath­le­ti­schen Fuß­ball fixierte DDR-Coach nicht an so viel fuß­bal­le­ri­scher Klasse vorbei. Dixie Dör­ners Stern ging dann zwei Jahre später auf, beim Fuß­ball­tur­nier der Olym­pi­schen Spiele in Mont­real. Ein Wett­be­werb, der im Westen eher nase­rümp­fend betrachtet wurde, in einer Mischung aus Trotz – weil sich die Bun­des­re­pu­blik nicht qua­li­fi­ziert hatte – und auf­rich­tigem Des­in­ter­esse gegen­über dem mit ost­eu­ro­päi­schen Staats­ama­teuren“ (West-Jargon) bevöl­kerten Tur­nier. In Wahr­heit waren dort phan­tas­ti­sche Spieler am Start, Oleg Blochin für die Sowjet­union, der junge Michel Pla­tini bei den Fran­zosen, Luis Arco­nada mit Spa­nien. 

Und eine junge DDR-Mann­schaft, bei der nun­mehr Dörner der Chef im Ring war, noch dazu ein ver­dammt tor­ge­fähr­li­cher. In der Tor­schüt­zen­liste des Olym­pia­tur­niers wird er auf Platz zwei geführt, hinter dem Polen Szar­mach und vor Pla­tini. Vier Tore in fünf Spielen, als soge­nannter Letzter Mann“. Wahn­sinn. Als das von ihm ange­führte Team ins Rollen kam, war es nicht mehr auf­zu­halten. Durch ein 3:1 im Finale gegen Polen gewann die DDR Olym­pi­sches Gold – und Dixie, der Libero, genoss fortan auch in der Natio­nalelf den Status, den er zu Hause in Dresden längst hatte.

Mehr ging nicht

Bei Dynamo hatte Hans-Jürgen Dörner, den alle Dixie“ nannten, seit seine älteren Brüder damit ange­fangen hatten, bereits mit 17 Jahren debü­tiert. Zuerst war er Mit­tel­stürmer, bald Abwehr­chef, indes bei­leibe nicht die sei­ner­zeit han­dels­üb­liche Ver­sion des schnöden Aus­put­zers, son­dern das genaue Gegen­teil. Dixie brachte Ele­ganz ins Spiel“, hat Peter Ducke, der Stür­mer­star des FC Carl Zeiss Jena, vor Jahren in einem gemein­samen 11FREUNDE-Inter­view mit Dörner gesagt. Ich habe ihn prak­tisch nie im Zwei­kampf erlebt und mich stets gefragt, warum an den nie einer ran­kommt.“

Der so Geprie­sene war ein Spie­lertyp, der an einen ganz ähn­li­chen im Westen erin­nerte, und so war es kein Zufall, dass er von den dor­tigen Bou­le­vard­me­dien anläss­lich der epi­schen Euro­pa­po­kal­du­elle zwi­schen Dynamo Dresden und dem FC Bayern den Spitz­namen Becken­bauer des Ostens“ bekam. Dörner war kurz geschmei­chelt, als­bald genervt, weil er merkte, dass der Name nur als abwer­tender Kom­pa­rativ zum großen Kaiser gemeint war. Sie hätten auch Becken­bauer für Arme“ schreiben können. Das hatte einer wie Dixie nicht nötig, er war sich selbst genug. Am Ende seiner acht­zehn Jahre wäh­renden Kar­riere hatte er fünfmal die Ober­liga-Meis­ter­schaft und ebenso oft den FDGB-Pokal gewonnen, hun­dert Län­der­spiele absol­viert und war dreimal zum DDR-Fuß­baller des Jahres gekürt worden. Mehr ging nicht.

Blu­men­meer im Rudolf-Harbig-Sta­dion

Als es kurz nach seiner aktiven Kar­riere mit dem Staat, in dem er gelebt und Fuß­ball gespielt hatte, zu Ende ging, stellte sich für Dixie Dörner die Frage, was er mit der zweiten Hälfte seines Lebens anfangen sollte. Er wagte den gesamt­deut­schen Spagat, aller­dings mit mäßigem Erfolg. Nach ein paar Jahren als Nach­wuchs­coach beim DFB wurde Dörner Chef­trainer bei Werder Bremen. 

Obwohl die Bilanz seiner gut andert­halb­jäh­rigen Amts­zeit (Platz neun und acht in der Bun­des­liga) aus heu­tiger Bremer Per­spek­tive gera­dezu eupho­risch aus­fällt, wurde man bei Werder nicht glück­lich mit ihm – und umge­kehrt auch nicht. Dörner kehrte zurück auf die hei­mi­sche Scholle, blieb eine Ikone des Ost­fuß­balls und saß zuletzt im Auf­sichtsrat von Dynamo Dresden. Als er kurz vor seinem 71.Geburtstag starb, ertrank das Rudolf-Harbig-Sta­dion in einem Blu­men­meer. Dort wissen sie, was sie an Dixie hatten.

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