Das sind Stadiontouristen - Ein Hoffenheim-Fan ber 11FREUNDE

October 2024 · 4 minute read

Detlef Sieg­burg, am Samstag wurde die neuen Heim­spiel­stätte der TSG Hof­fen­heim, die »Rhein-Neckar-Arena«, ein­ge­weiht. Ralf Rang­nick war nach dem Spiel aller­dings nicht gerade gut gelaunt. Er schimpfte: »Viel­leicht bin ich zu sehr Tra­di­tio­na­list, aber ich ver­misse die ›echten‹ Fans.« Gibt es die in Hof­fen­heim über­haupt?

Natür­lich. Und es wäre absolut falsch dieses Spiel zum Maß­stab zu nehmen. Sicher­lich waren am Samstag viele Zuschauer im Sta­dion, die ver­mut­lich nie wieder zu einem Spiel kommen, die über­haupt kein Inter­esse an der TSG Hof­fen­heim haben. Die sind durch die Gänge geschlen­dert, small­talkten im VIP-Bereich oder saßen auf den Tri­bünen wie Tou­risten, die eine neue Sehens­wür­dig­keit bestaunen. Dar­über hinaus lief auch in der Fan­kurve vieles noch nicht so, wie wir uns das vor­ge­stellt hatten. Doch es wird sich mit der Zeit ein­pen­deln – das war in Mann­heim auch so.

Was lief nicht?

Unser Capo hatte nicht die Mög­lich­keit die Gesänge über Laut­spre­cher anzu­stimmen.

Die TSG Hof­fen­heim hat einen Capo?

Wir haben einen Capo, natür­lich. Wir haben Fahnen, wir haben sogar Trommler. Nur Ultras haben wir nicht. Jeden­falls lehnen wir Gewalt ab.

Die Kau­sa­lität hinkt.

Viel­leicht. Natür­lich sind Ultras nicht per se gewalt­be­reit. Und wenn man Ultra mit Hard­core-Fan über­setzt, bin ich auch ein Ultra. Ich habe eine Dau­er­karte, fahre zu jedem Aus­wärts­spiel, war schon zu Regio­nal­li­ga­zeiten im Sta­dion. Aber ich bezeichne mich lieber als Fan.

Was ver­missen Sie in der neuen Arena?

Es war alles noch sehr unge­wohnt, unglaub­lich groß. Natür­lich, das Sta­dion ist schön, doch das ganze Drum­herum muss noch mehr auf die Bedürf­nisse und Wün­sche der Fans abge­stimmt werden.

Inwie­fern?

Die Fan­szene, die sich in den letzten zwei, drei Jahren in Sins­heim gebildet hat und die stetig größer geworden ist, hat keine wirk­li­chen Treff­punkte mehr. Durch die Größe ist alles ein biss­chen unüber­sicht­li­cher geworden. Auch in Sins­heim selbst. Das Sta­dion hat alles ein biss­chen durch­ein­an­der­ge­wir­belt. Die Fan­szene tut sich momentan noch schwer.

Was unter­scheidet eigent­lich die Hoef­fen­heimer Fan­szene von anderen?

Das Pro­blem ist: Die Szene konnte nicht langsam wachsen, denn wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie wir auf­ge­stiegen sind. Letztes Jahr hatten wir gerade mal eine Hand­voll Fan­klubs, heute haben wir einen Dach­ver­band, an den 25 Fan­klubs ange­schlossen sind.

Woher kommen diese Fans? Sind das ehe­ma­lige Waldhof-Fans, die keine Lust mehr auf unter­klas­sigen Fuß­ball haben?

Das sind klas­si­sche Event­fans, die nun in Zeiten des Erfolgs dazu gestoßen sind und zumeist aus dem rie­sigen Rhein-Neckar-Kreis kommen. Ihre Fan­klubs schießen wie Pilze aus dem Boden. Da gibt es etwa Ama­teur­fuß­ball­ver­eine, die sich alle­samt zu einem Fan­klub zusam­men­schließen. Das hat für mich aber nichts mit Fan­sein zu tun. Um in einem Fan­klub Mit­glied zu sein oder einen Schritt weiter zu gehen, näm­lich selbst einen zu gründen, muss man voll­ends über­zeugt sein von der Sache. Ich bin ja auch kein gebür­tiger Sins­heimer, kann mich aber mit dem Verein iden­ti­fi­zieren – auch weil ich seit acht Jahren hier lebe und seit sechs Jahren regel­mäßig ins Sta­dion gehe, also all die wich­tigen Auf­stiege mit­er­lebt habe. Für mich war Fuß­ball und Fan­sein immer etwas Beson­deres. Ich komme ja aus dem Ruhr­ge­biet, war in den 60er und 70er Jahren Schalke-Fan, wenn­gleich ich damals noch ein kleiner Junge war und dieses Fan­sein damals noch gar nicht richtig ver­standen habe.

Ralf Rang­nick hat eben­falls auf Schalke trai­niert und hat eine andere Fan­kultur ken­nen­ge­lernt, eine die jahr­zehn­te­lang gewachsen ist, die von Gene­ra­tion zu Gene­ra­tion wei­ter­ge­tragen wird. Meint er das mit »echten« Fans?

Zunächst mal hat Fan­sein für mich nichts mit dem Alter zu tun, wir haben auch viele jün­gere Fans. Doch steht für mich vor einer Fan­klub­grün­dung oder gene­rell schon vor einem Sta­di­on­be­such eine inten­sive Über­le­gung. So eine Ent­schei­dung trifft man nicht, weil der Verein mal eben ein paar Spiele gewonnen hat. Junge Fans, die hinzu kommen, müssen sich – ein­fach weil sie gewisse Struk­turen nicht kennen und das Fan­sein an sich neu für sie ist – an den alten Fans ori­en­tieren. Das betrifft die Schlacht­ge­sänge ebenso wie das Trom­meln. Glück­li­cher­weise klappt das mitt­ler­weile ganz gut – zumin­dest trom­meln die Trommler heute im Takt.

Wie gehen Sie mit den Anfein­dungen der geg­ne­ri­schen Fans um?

Es wird ver­mut­lich noch einige Jahre dauern, bis hier so etwas wie eine Fan­kultur ent­steht, die sich vor anderen Klubs nicht ver­ste­cken braucht. Bis dahin werden wir von sämt­li­chen Bun­des­li­gafans schlecht dar­ge­stellt – dieser alte Retor­ten­klub­vor­wurf –, aber das ist ja nichts Neues. Was viele Anhänger anderer Klubs nicht ver­stehen: Die Hof­fen­heim-Fans bekommen nichts umsonst. Weder zahlt Dietmar Hopp unsere Ein­tritts­karten noch die Bahn- oder Bus­fahrten zu den Aus­wärts­spielen.

Dem Satz von Rang­nick schwingt auch die Befürch­tung mit, dass in der »Rhein-Neckar-Arena« bald die Event- und VIP-Fans die Mehr­heit bilden könnten.

Davor habe ich keine Angst. Eigent­lich inter­es­siert es mich auch nicht, was diese Event­fans machen. Ich bin Fuß­ballfan und gehe ins Sta­dion, um Fuß­ball zu gucken. Und nicht um in Logen zu sitzen und fürst­lich zu essen.

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